Physiotherapie

 

Von der sogenannten Physiotherapie hat sicher jeder schon mal gehört – aber wusstet ihr auch, dass diese auch für die meisten Früh- und Neugeborenen Teil ihres Alltags auf Station ist?? 

„Frühsport“ sozusagen :D Aber warum brauchen die Kleinen eigentlich Physiotherapie und wie kann diese sie in ihrer Entwicklung unterstützen? Um euch dieses Thema übersichtlich und einfach erklärt näher bringen zu können, hat sich die wunderbare Physiotherapeutin Susanne Hoppe vom Uniklinikum Leipzig einmal Zeit genommen und uns einen ganzen Blogartikel verfasst: 

„ Mein Name ist Susanne Hoppe und ich arbeite als Physiotherapeutin auf der Neonatologie am UKL. Mit diesem Beitrag gebe ich einen kleinen Einblick in die physiotherapeutische Arbeit mit Frühgeborenen und kranken Neugeboren. 

Das Hauptziel unserer Behandlung ist, die Neugeborenen bei der extrauterinen Anpassung - also der Anpassung außerhalb des Bauches - zu unterstützen. Dieses Ziel können wir nur gemeinsam mit allen Bezugspersonen des Neugeborenen erreichen. 

Förderung der Sinneswahrnehmung: Ein gutes Gefühl 


Neugeborene kommen auf die Welt, da befindet sich die Sinneswahrnehmung noch in der Entwicklung. Außerdem ist die intrauterine Umgebung im Vergleich zur Außenwelt ganz anders beschaffen. In den ersten Wochen und Monaten ist es wichtig, dass die Neugeborenen ihre Umwelt und ihren eigenen Körper lernen wahrzunehmen. Weiterhin lernen sie, auf die wahrgenommenen Reize zu reagieren. 

Während der Physiotherapie, werden gezielte Reize gesetzt (Berührung, Sprache, Vibrationen, Klang…) und die Neugeborenen werden dabei begleitet diese Reize zu verarbeiten. Auch eine gute Lagerung und ein entsprechendes Handling können die sensorische Wahrnehmung fördern. 

Nur wenn das Neugeborene sensorische Reize aufnehmen und verarbeiten kann, kann es sich selbst wahrnehmen und schließlich Bewegungen gezielt einsetzen. 

Atemtherapie: Atmung ist überall

Frühgeborene kommen vor der vollständigen Reifung der Lunge auf die Welt. Dies wird begleitet von unregelmäßigen Atemmustern, Atempausen und Atemnot. In der Atemtherapie unterstützen wir die Atmung der Neugeborenen und fördern die Lungenentwicklung. Sie hilft, die Sauerstoffaufnahme zu verbessern und die Atemmuskulatur zu stärken, auch wird die Belüftung der Lungenareale angeregt. 

Neurophysiologische Therapie: Starke Nerven für Alle


Ein unreifes Nervensystem oder Komplikationen wie Hirnblutungen, Unterversorgung des zentralen Nervensystems mit Sauerstoff oder bestimmte genetische Erkrankungen erfordern eine physiotherapeutische Behandlung auf neurophysiologischer Basis für Kinder. Hier werden anhand des klinischen Befundes physiologische Bewegungsmuster angebahnt. Das Ziel ist eine selbstständige Haltungs- und Bewegungskontrolle. 

Strukturen lösen oder aktivieren: Vom Festhalten und Loslassen 

Im physiotherapeutischen Befund schauen wir, nach der Haltung und den Bewegungsmustern der Neugeborenen. Dabei wird untersucht, ob die Strukturen - wie Muskeln, Gelenke, Organe - so beschaffen sind, dass eine Funktion und Bewegung möglich ist. Ist eine Funktion behindert, so wird die entsprechende Struktur physiotherapeutisch behandelt. Eine Struktur kann sehr fest oder auch durch zu wenig Festigkeit auffällig sein. Dies kann bedingt sein durch die Lage im Mutterleib (z.B. Sichelfuß), durch den Geburtsvorgang (z.Bsp. bei Nutzung einer Saugglocke) oder auch durch Operationen (Narbenbildung). Diese strukturellen Veränderungen, können mittels manueller oder osteopathischer Techniken behandelt werden. 

Orofaziale Stimulation: Über Bedürfnisbefriedigung hin zum Wachstum


Frühgeborene haben häufig Schwierigkeiten, effektiv zu saugen und zu schlucken. Auch die Atmung muss während des Trinkens vom Neugeborenen koordiniert werden. Hier kann die Physiotherapie die Muskulatur des Mund-, Kiefer- und Zungenbereichs gezielt stimulieren. 

Nicht zu vergessen ist der Mundbereich auch für die Wahrnehmung ein wichtiges Sinnesorgan. Den ersten Hand- Mundkontakt erleben die Embryos bereits im Mutterleib. Sie spüren sich und können sich durch nuckeln selbst regulieren. Nuckeln wirkt schmerzlindernd. 

Bei komplexeren Schwierigkeiten beim Saug- und Trinkverhalten wird auch interdisziplinär mit der Logopädie zusammengearbeitet.

Die Rolle der Eltern: Eltern werden - Eltern sein 

In der Betreuung von Frühgeborenen, ist die Zusammenarbeit mit ihren Eltern ein wesentlicher Bestandteil. Auch in der Physiotherapie ist unser Anliegen mit den Eltern gemeinsame Ziele zu formulieren, Fragen und Schwierigkeiten aufzunehmen und zu klären, Behandlungen zu zeigen und Anleitungen zu geben. 

Die physiotherapeutische Behandlung auf der Neonatologie ist ein wichtiger Bestandteil, um die neurologische, motorische und sensorische Entwicklung zu fördern. 

Jedes Kind ist einzigartig und wird individuell von uns begleitet und unterstützt. 

Dies ist nur ein kleiner Einblick in die physiotherapeutische Behandlung auf der Neonatologie des UKL. Bitte kommen sie bei Fragen oder Anregungen gern auf uns zu. 

Susanne Hoppe “