Die Frühgeburt
In der Regel erreicht die Nachricht einer drohenden Frühgeburt die betroffenen Familien unerwartet. Waren zuvor noch alle Vorsorgeuntersuchungen unauffällig, kommt plötzlich die Nachricht, dass man stationär auf die Wöchnerinnenstation aufgenommen werden muss - oder es geht direkt in den Operationssaal, da die Geburt des Kindes notwendig wird.
Für viele werdende Eltern ist das zunächst ein Schock - meistens hatten sie dazu noch keinerlei Berührungspunkte mit dem Thema Frühgeburt. Es ist völlig normal, dass dieses Thema viele Unklarheiten und Ängste hervorruft.
Ziel dieses Blogs ist es, das Thema Frühgeburtlichkeit transparent darzustellen – wir beginnen deshalb mit der Erklärung einiger Begrifflichkeiten.
Was bedeutet eigentlich Frühgeburtlichkeit?
Definitionsgemäß ist jedes Neugeborene, das vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt, ein Frühgeborenes. Dabei macht es jedoch einen großen Unterschied, ob ein Frühgeborenes einige Tage vor dem errechneten Termin oder sogar mehrere Wochen früher geboren wird.
Der Verlauf und die Prognose stehen in einem engen Zusammenhang mit dem Geburtsgewicht sowie dem Gestationsalter (dies ist die „Schwangerschaftsdauer“ und wird in vollendeten Wochen + Tagen vom ersten Tag der letzten Regelblutung der Mutter an gezahlt). Man kann Frühgeborene nach diesen beiden Parametern einteilen:
Einteilung nach Gestationsalter:
< 37+0 SSW – 32+0 SSW = Frühgeburt
< 32+0 SSW – 28+0 SSW = frühe Frühgeburt
< 27+6 SSW – 25+0 SSW = sehr frühe Frühgeburt
< 24+6 SSW = Frühgeburt an der Grenze der Lebensfähigkeit
Einteilung nach Geburtsgewicht
Low birth weight infant (LBW): Geburtstgewicht < 2500 g
Very low birth weight infant (VLBW): Geburtsgewicht < 1500 g Extremely low birth weight infant (ELBW): < 1000 g
Ab einem Gestationsalter älter als 24+0 SSW und einem Gewicht von mehr als 400 g werden die Überlebenschancen von Frühgeborenen so hoch eingeschätzt, dass eine lebenserhaltende Therapie angestrebt werden sollte. Dies ist so in der Leitlinie der AWMF[1] „Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit“ empfohlen. Da die für die Prognose entscheidenden Parameter wie Schätzgewicht und Gestationsalter großen Ungenauigkeiten unterliegen, werden die Therapiezielentscheidungen unter besonderer Beachtung der elterlichen Wertvorstellungen getroffen. Dies gilt insbesondere auch für die charakterisierte Grauzone. Hier werden in einem bestimmten Bereich abgestimmte
Einzelfallentscheidungen getroffen, wobei eine medizinische Versorgung von Frühgeborenen ab einem Gestationsalter von jünger als 22+0 SSW und einem Gewicht von weniger als 400 g als aussichtslos eingestuft wird.
Für die Betreuung von Risikoschwangeren und Frühgeborenen gibt es in Deutschland spezialisierte Zentren, welche nach ihren Versorgungsmöglichkeiten und den Kompetenzen der zusammenarbeitenden Berufsgruppen in verschiedene Level eingruppiert werden. Die Einteilung erfolgt auch hier nach einem ausgearbeiteten Stufensystem gemäß der AWMF-Leitlinie „Empfehlungen für die strukturelle Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland“. Dabei werden sowohl Qualitätskriterien für die Geburtshilfe, wie auch für die Versorgung der Früh- und Neugeborenen berücksichtigt.
Schwangere mit einer drohender Frühgeburt sollten - sofern möglich – an ein qualifiziertes Zentrum verlegt werden, um eine optimale Versorgung von Mutter und Kind zu gewährleisten.
Zusammengefasst wird wie folgt differenziert:
Level IV: Geburtshilfliche Abteilung ohne angeschlossene Kinderklinik (Geburtsklinik), Kooperation mit Kinderklinik für Notfallbetreuung
Level III: Geburtshilfliche Abteilung mit angeschlossener Kinderklinik
Level II: Perinatalzentrum 2 für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht > 1250 g oder > 28+0 SSW
Level I: Perinatalzentrum 1 für Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht < 1250 g oder < 28 +0 SSW, bei fetalen oder mütterlichen Erkrankungen, die eine intensivmedizinische Behandlung wahrscheinlich machen.
Weitere Details können den jeweiligen Leitlinien entnommen werden.
Das Universitätsklinikum Leipzig ist ein Perinatalzentrum der Versorgungsstufe I. Jährlich werden auf der neonatologischen Intensivstation und neonatologischen Überwachungsstation ca. 800 Frühchen versorgt.
Wir von den Minilöwen arbeiten an dem Ziel, sowohl die medizinische Versorgung von Früh- und Neugeborenen auf unseren Stationen noch weiter zu verbessern, als auch die Eltern bei der Bewältigung der besonderen Situation zu unterstützen. Der Blog soll ein Teil dieser Unterstützung sein und mithilfe von Informationen etwas mehr Klarheit über die Strukturen und Abläufe der neonatologischen Intensivmedizin vermitteln.
Quellen:
https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/lookinside/10.1055/b-0034-64112 https://eref.thieme.de/ebooks/1147861? fromSearch=true&context=search#/ebook_1147861_SL48395085
https://eref.thieme.de/ebooks/2277827? context=search&fromSearch=true#/ebook_2277827_SL85805221 https://www.awmf.org
Leitlinien:
S2k-Leitlinie Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/024-019
S2k-Leitlinie Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland https://register.awmf.org/assets/guidelines/087-001l_S2k_Empfehlungen- strukturelle-Voraussetzungen-perinatologische-Versorgung-Deutschland__2021- 04_01.pdf